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Wahlrecht, Volljährigkeit und Politikinteresse
von Stephan Eisel
Immer wieder wird in Deutschland über eine Absenkung des Wahlalters als Mittel gegen eine angenommene „Politikverdrossenheit“ bei Jugendlichen diskutiert. Zuletzt hat der Landtag in Brandenburg im Dezember 2011 mit den Stimmen von SPD, LINKEN, Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU das Wahlalter auf 16 Jahre festgelegt. Der oft emotional geführten Debatte mangelt es allerdings meist an einer nüchternen Bewertung der Fakten. Insbesondere sind bei der Entscheidung über das Wahlalter folgende Gesichtspunkte zu beachten:
1) Die Grundlagen
Artikel 38 des Grundgesetzes legt in Absatz 2 zur Wahlberechtigung für die Wahlen zum Deutschen Bundestag fest: „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“ Für eine Änderung dieser Regelung wäre ein 2/3-Mehrheit im Deutschen Bundestag erforderlich.
Zwar können die Bundesländer das jeweiligen Landtags- und Kommunalwahlrecht grundsätzlich autonom regeln, aber sie orientieren sich meist am Bundestagswahlrecht. Zwölf von 16 Bundesländern regeln das Wahlalter für Landtagswahlen und landesweite Volksabstimmungen in ihren Landesverfassungen. Das diese nur mit einer 2/3-Mehrheit bzw. teilweise nur durch Volksabstimmungen geändert werden können, ist eine Änderung des Wahlrechtes vor parteitaktischen Überlegungen geschützt. In den Landesverfassungen von Bayern (Art 14), Baden-Württemberg (Art. 73), Berlin (Art. 39), Hessen (Art. 73), Niedersachsen (Art. 8), Nordrhein-Westfalen (Art. 30), Rheinland-Pfalz (Art. 76), dem Saarland (Art. 64), Sachsen (Art. 4) Sachsen-Anhalt (Art. 42) und Thüringen (Art. 46), ist das Wahlalter ausdrücklich auf die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt.
In Brandenburg wurde die Landesverfassung am 19. Dezember 2011 mit den Stimmen von SPD, LINKEN, Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU geändert und das Wahlalter generell auf 16 Jahre festgelegt.
In Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist das Wahlalter grundsätzlich nicht in der Landesverfassung festgelegt und durch einfache Änderung des Wahlgesetzes änderbar. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist das Wahlalter bei Kommunalwahlen nicht durch die Landesverfassung festgelegt und ebenfalls durch einfaches Gesetz. d. h. mit einfacher Mehrheit änderbar.
Von der Wahlberechtigung ab 18 Jahre weichen bei Kommunalwahlen inzwischen sieben der sechzehn Bundesländer ab: In Niedersachsen (1996), Sachsen-Anhalt (1998), Schleswig-Holstein (1998), Mecklenburg-Vorpommern (1999), Nordrhein-Westfalen (1999), Bremen (2007) und Brandenburg (2011) gilt das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahre abgesenkt.
Bei Landtagswahlen ist Wählen ab 16 Jahren bisher nur in Bremen (seit 2011) und künftig in Brandenburg möglich.
In anderen Bundesländern und im Bundestag wurden entsprechende Anträge zur Herabsetzung des Wahlalters wiederholt abgelehnt.
Auch im europäischen Ausland gilt generell die Wahlberechtigung ab 18 Jahren – mit Ausnahme von Österreich, wo 2007 das Wahlalter bei nationalen Wahlen auf 16 Jahre gesenkt wurde. International lassen bisher außerdem lediglich Brasilien, Nicaragua und Kuba (wo man von Wahlen gar nicht sprechen kann) ein Wahlrecht ab 16 Jahren zu.
2) Wahlalter und Volljährigkeit
Die Forderung nach einer Senkung des Wahlalters wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien das Wahlalter festgelegt werden soll. Bisher galt das Erreichen der Volljährigkeit dafür als entscheidender Maßstab. So kündigte Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung „Mehr Demokratie wagen“ vom 28. Oktober 1969 miteinander verbunden Gesetzesinitiativen zur Absenkung des Wahlalters und der Volljährigkeit an. Die Umsetzung erfolgte zur Bundestagswahl 1972 mit der Absenkung des aktiven Wahlalters und (wegen der Vielzahl rechtlicher Folgeregelungen zeitlich verzögert) 1975 mit der Herabsetzung der Volljährigkeit (und damit der passiven Wahlberechtigung) auf 18 Jahre.
Der Vorschlag nach einer weiteren Senkung des Wahlalters wird allerdings nicht mit der Forderung nach einer weiteren Absenkung der Volljährigkeitsgrenze verbunden. Die sich daraus ergebende Entkoppelung von Wahlberechtigung und Volljährigkeit führt zur grundsätzlichen Problematik, ob Bürgerrechte wie das Wahlrecht nicht an die Bürgerpflichten gebunden sein sollten, die zur Volljährigkeit gehören.
Der innere Zusammenhang zwischen Wahlalter und Volljährigkeit konkretisiert sich in der Frage, warum jemand über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden soll, den diese Gesellschaft noch nicht für reif genug hält, seine eigenen Lebensverhältnisse zu regeln:
16 -Jährige dürfen in Deutschland Mofa fahren, aber nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen ein Auto lenken. Sie dürfen in der Öffentlichkeit Bier trinken, aber keine hochprozentigen Alkoholika. Ohne Erlaubnis der Eltern dürfen sie eine Diskothek nur bis Mitternacht besuchen. Bei Gesetzesverstößen fallen 16-Jährige unter das Jugendstrafrecht. Heiraten darf man zwar ab 16, aber nur wenn ein Familiengericht dazu die Genehmigung erteilt und der Ehepartner bereits volljährig ist.
Kaufverträge, die von Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossen werden – zum Beispiel der Kauf eines Computers – sind nur wirksam, wenn sie aus Mitteln bezahlt werden, die ihnen vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. Dieser sog. „Taschengeldparagraph“ (§ 110 des Bürgerlichen Gesetzbuches) gilt bis zur vollen Geschäftsfähigkeit mit Erreichen des 18. Lebensjahres.
Es ist auffällig, dass auch die Befürworter einer Absenkung des Wahlalters nicht vorschlagen, dass an diesen Alterseinschränkungen etwas geändert wird. Sie plädieren nicht für eine Absenkung der Volljährigkeit. So gesehen ist die Wahlberechtigung für Minderjährige ein Widerspruch in sich, weil es das Wahlrecht von der Lebens- und Rechtswirklichkeit abkoppelt.
Wenn das Wahlrecht von der Volljährigkeit entkoppelt wird, sind andere Altersgrenzen willkürlich, weil sie an kein objektives Kriterium geknüpft sind. Nach der Volljährigkeit ist im deutschen Rechtssystem allenfalls die Strafmündigkeit ab dem 14. Lebensjahr (§ 19 Strafgesetzbuch) ein wesentlicher Einschnitt. Mit dem Erreichen des 16. Lebensjahres werden hingegen nur einige Einschränkungen des Jugendschutzes gelockert (z. B. Ausgang ohne Erwachsenenbegleitung bis 24 Uhr).
Auch in der Vielzahl der Vorschläge einer unterschiedlichen weitgehenden Absenkung des Wahlalters spiegelt sich die Willkürlichkeit von Altersgrenzen, die sich nicht an der Volljährigkeit orientieren. Sieben von 16 Bundesländer haben das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt – allerdings mit der Ausnahme von Bremen und Bradenburg nur bei Kommunalwahlen. Zugleich treten die Landesjugendringe u.a. in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen für eine Wahlberechtigung ab 14 Jahren ein.
Die Aufhebung jeder Altersgrenze bei der Wahlberechtigung wird z. B. von der Piratenpartei gefordert. Deren Berliner Spitzenkandidat, Andreas Baum, sagte im Herbst 2011: „Wir möchten die Hürden für die Teilnahme an Wahlen absenken und vor allem Jugendliche und Kinder früh dafür motivieren, sich mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen. Nach umfangreichen Diskussionen sind wir überein gekommen, dass wir hier keine neue starre Altersgrenze einführen möchten. Wir gehen davon aus, dass ein Kind ab dem Zeitpunkt, in dem es frei den Willen zur Teilnahme äußern kann und selbst die Motivation hat, sich in das Wählerverzeichnis einzutragen, auch ein hinreichendes Interesse hat, sich mit politischen Sachverhalten auseinanderzusetzen.“ Baum wurde Ende September 2011 zum Fraktionsvorsitzenden der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus gewählt.
3) Zum Politikinteresse von minderjährigen Jugendlichen
Oft wird als Begründung für eine Senkung des Wahlalters das vermeintlich hohe Politikinteresse von minderjährigen Jugendlichen angeführt. Dafür gibt es keine empirischen Belege. Im Gegenteil stimmen die vorliegenden Studien darin überein, dass das Politikinteresse von 16/17-Jährigen deutlich geringer ausgeprägt ist als das von älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Schon 1991 kam die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen einer Jugendstudie mit 5022 Befragten im Alter von 15-25 Jahren zu dem Ergebnis, dass 16/17-Jährige ein messbar geringeres Interesse an Politik zeigen als 18-24-Jährige.
Zuletzt befasste sich 2008 eine qualitative Studie der Universität Hohenheim mit der Frage „Lässt sich eine Herabsetzung des Wahlalters in Deutschland durch Ergebnisse zum Politikverständnis bei heutigen und potenziellen Erstwählern begründen?“ Dazu wurden ausführliche Interviews mit 171 Schülern und jungen Studenten geführt. In der Zusammenfassung der Ergebnisse heisst es:
- „Die Teilnehmer ohne Wahlrecht (unter 18 Jahren) hatten ein signifikant geringeres politisches Wissen als die Teilnehmer mit Wahlrecht. Dies gilt sowohl für die Personen mit höherer Bildung (Gymnasiasten oder Personen mit FH-Reife bzw. Abitur) als auch für die Personen mit geringerer Bildung (Hauptschüler, Hauptschul-Absolventen oder Personen mit mittlerer Reife). Unabhängig von der Bildung konnten die Teilnehmer ohne Wahlrecht lediglich etwa ein Drittel der Punkte in den Tests zum politischen Wissen erzielen, während die Wahlberechtigten im Schnitt etwas über die Hälfte der Punkte erzielten.“
- „Überraschend ist, dass die Teilnehmer ohne Wahlrecht ihr Verständnis politischer Kommunikation im Schnitt jedoch nicht signifikant schlechter bewerten als die Personen mit Wahlrecht. Die subjektive Einschätzung des Verständnisses entspricht hier also nicht dem objektiv nachweisbaren Verständnis der politischen Kommunikation.“
- „Entgegen ihrer Selbsteinschätzung schnitt die Gruppe der 16-17-Jährigen Jugendlichen bei diesem Verständnisteil (Test, ob sie einen vorlegten politischen Text verstanden) wesentlich schlechter ab, als die Gruppe der 18- bis 21-Jährigen Erstwähler. So erreichten die Neuntklässler der Hauptschule gerade einmal die Hälfte der Punkte im Verständnistest, die Berufsschüler hingegen immerhin fast zwei Drittel. Dieser altersbedingte Unterschied zeigte sich ähnlich deutlich beim Vergleich von Gymnasiasten und Studienanfängern.“
4) Wahlberechtigung als ungeeignete politische Bildungsmaßnahme
Das häufigste Argument für eine Senkung des Wahlalters ist die Behauptung, man könne dadurch das Interesse von Jugendlichen an Politik wecken. Grundsätzlich ist dagegen einzuwenden, dass das Wahlrecht zu grundlegend für die freiheitliche Demokratie ist, um es zum pädagogischen Hilfsmittel zu degradieren. Es ist auch wenig einleuchtend, durch unterschiedliches Wahlalter unterschiedlichen Wahlen eine unterschiedliche Wertigkeit zuzusprechen – so als seien Kommunalwahlen weniger bedeutend und deshalb am ehesten als Experimentiertfeld geeignet.
Vor allem aber zeigen empirische Untersuchungen, dass die Einführung des Wahlrechts ab 16 nicht zu einem höheren politischen Interesse dieser Altersgruppe geführt hat. Dies zeigt sich auch an der deutlich unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung der 16/17-Jährigen, wo dies gemessen werden konnte. Vor allem ist eine Zunahme der Wahlbeteiligung von Jugendlichen auch dort nicht nachzuweisen, wo das herabgesetzte Wahlalter schon länger gilt.
Bei der Bremer Kommunalwahlen (Beirätewahlen) 2007, bei denen in der Hansestadt erstmals das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahren galt, lag die „Wahlbeteiligung der Jugendlichen“ (ohne genauere Spezifierung) bei 44,3 Prozent (insgesamt bei 56,6 Prozent). Es lässt sich nicht feststellen, dass diese kommunale Wahlberechtigung ab 16 zu einem höheren politischen Interesse geführt hat, als 2011 in Bremen erstmals bei Landtagswahlen schon mit 16 Jahre gewählt werden durfte.
Um das Wahlgeheimnis zu wahren, wurde bei der Landtagswahl 2011 in Bremen keine Wahlstatistik für 16/17-Jährige erstellt. Für die Wahlbeteiligung wurde die Gruppe der 16-21-Jährigen analysiert, für die Stimmverteilung auf die Parteien die Gruppen der 16-25-Jährigen. Deshalb konnte das Statische Landesamt in Bremen lediglich feststellen, dass die erstmals an einer (Bürgerschaftswahl teilnehmenden 16- bis unter 21-Jährigen mit 48,6 Prozent ihre Stimme an der Urne (ohne Briefwahl) abgaben. Damit lag die Beteiligungsquote der Erstwähler nur geringfügig über der Wahlbeteiligung der Erstwähler bei der vorangegangenen Bürgerschaftswahl 2007 (47,9 Prozent), bei der noch das Wahlrecht ab 18 gegolten hat. Welchen Anteil daran die 16/17-Jährigen hatten ist nicht feststellbar. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung der Erstwähler deutlich unter der allgemeinen Wahlbeteiligung, die in Bremen geringfügig auf 56,7 Prozent zurückgegangen (2007: 57,5 Prozent).
In Sachsen-Anhalt wurden bei den Kommunalwahlen 1999 und 2009 am Wahltag ausdrücklich die 16/17-Jährigen hinsichtlich der Wahlbeteiligung abgefragt. 1999 lag die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe bei 40 Prozent (allgemeine Wahlbeteiligung 49,5 Prozent), im Jahr 2009 bei 29,3 Prozent (allgemeine Wahlbeteiligung 38 Prozent). Die zehnjährige Erfahrung mit dem Wahlrecht ab 16 in diesem Bundesland zeigen keinen Anstieg politischen Interesse in der fraglichen Altersgruppe. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt stellte deswegen in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im September 2011 fest: „Die praktischen Erfahrungen der Kommunalwahlen zeigen jedenfalls, dass die Beteiligung in der Altersgruppe der 16- bis unter 18-Jährigen in den aufgezeigten Jahren unterhalb der durchschnittlichen Wahlbeteiligung lag.“
Als in Schleswig-Holstein bei Kommunalwahlen 1998 erstmals Wähler im Alter ab 16 Jahren zugelassen waren, wurde in Neumünster eine Befragung der Erstwählerinnen und Erstwähler durchgeführt. Die allgemeine Wahlbeteiligung lag in Neumünster damals bei 52,76 Prozent. Auch hier lag die Wahlbeteiligung der 16/17-Jährigen mit knapp 40 Prozent deutlich darunter, aber höher als bei den 18-21-Jährigen Erstwählern (31 Prozent) war.
Bedeutsam ist vor allem die Tatsache, dass die Wahlstatistiken bei fast allen Wahlen zeigen, dass die Gruppe der 18-25-Jährigen regelmäßig die niedrigste Wahlbeteiligung aller Altersgruppen aufweist – und zwar unabhängig davon, ob sie bei den vorhergehenden Wahlen bereits mit 16 Jahren wählen durften oder nicht. Es gibt deshalb keinerlei Indikatoren dafür, dass das Wahlrecht ab 16 eine unmittelbare oder (was noch wichtiger wäre) nachhaltige Auswirkung auf politisches Interesse oder die Bereitschaft zur Teilnahme an Wahlen hätte.
5) Betroffene Jugendliche lehnen
Senkung des Wahlalters mehrheitlich ab
Die meisten minderjährigen Jugendlichen stehen einer Herabsetzung des Wahlalters skeptisch gegenüber. Sie sagen von sich selbst, dass sie mit der Verantwortung für politische Entscheidungen in der Regel überfordert seien und die ernsthafte Auseinandersetzung mit Politik in der Regel nicht das ist, was in ihrem Lebensalltag wichtig sei.
So wurden in der 15. Shell-Jugendstudie 2006 insgesamt 2532 Jugendliche im Alter von 12-25 Jahren gefragt: „Wie finden Sie die Idee, die Altersgrenze für die Teilnahme an Bundestagswahlen von 18 Jahren abzusenken, so dass man schon ab 16 Jahren wählen könnte?“ 52 Prozent der Befragten lehnten dies ab, 25 Prozent stimmten zu und 23 Prozent meinten, es sei ihnen egal.
Anfang 2009 führte die „Grüne Jugend Ostalb“ eine Umfrage zum Wahlrecht ab 16 bei mehr als 550 Aalener Schülern durch. Auf die Frage „Hälst du das Wahlrecht ab 16 für sinnvoll?“ antworteten 58 Prozent mit „nein“ und nur 24 Prozent mit „ja“. 18 Prozent konnten sich nicht entscheiden. Das Fazit der Grünen Jugend lautete: „Ein Großteil der Jugendlichen hält das Wahlrecht ab 16 nicht für sinnvoll. Hier zeigt sich, dass die Jugendlichen sich noch sehr unsicher fühlen“.
Im Sommer 2010 ergab eine Forsa-Umfrage in Berlin, dass 63 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter von 14- 29 Jahren das Wahlrecht ab 16 Jahren für sich ablehnen. Die Ablehnung in der Gesamtbevölkerung lag bei 77 Prozent.
Auch in Österreich zeigte 2007 kurz vor Einführung der Wahlberechtigung ab 16 eine im Auftrag von Bildungs- und Wissenschaftsministerium erstellte Umfrage unter 700 Jugendlichen ein sehr gespaltenes Bild. Von den 14-17-Jährigen waren nur 47 Prozent für die Senkung des Wahlalters, 46 Prozent dagegen. Bei den 18-24 -Jährigen überwog mit 63 Prozent die Ablehnung.
6) Weitere Aspekte
Parteien sollten der Versuchung widerstehen, die Herabsetzung des Wahlalters unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Vorteils durch Stimmengewinn zu bewerten. Bei einer solchen oberflächlichen Betrachtung sind Enttäuschungen durch das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Jugendlichen nicht ausgeschlossen. So wählten in Österreich 44 Prozent der Erstwähler die rechtspopulistische FPÖ und nicht die Sozialdemokraten, die das neue Wahlrecht ab 16 erstritten hatten. Die Frage des Wahlrechtes ist eine grundsätzliche und keine parteitaktische Frage.
Auch das häufig benutzte Argument, man müsse Jugendlichen durch die Absenkung des Wahlalters die Vertretung ihrer eigenen Interessen ermöglichen, ist nicht schlüssig. Die eigenständige Vertretung ihrer Interessen wäre nur dann möglich, wenn minderjährige Jugendliche nicht nur wählen dürfen, sondern auch wählbar wären. Von niemanden wird aber die Forderung nach Senkung des aktiven Wahlalters mit dem Vorschlag der Senkung des passiven Wahlalters verbunden. Die einseitige Absenkung des aktiven Wahlalters würde aber bedeuten, dass minderjährige Jugendliche nicht Gleichaltrige, sondern nur Ältere wählen dürfen.
Eine Senkung des Alters der passive Wahlberechtigung wäre übrigens ohne Veränderung der Volljährigkeit nicht möglich: Bis zum Erreichen der Volljährigkeit schränken die Vorschriften des Jugendschutzes und die Rechte der Erziehungsberechtigten die grundgesetzlich garantierte Freiheit des Mandats unzulässig ein.
FAZIT
Insgesamt gibt es weder plausible Gründe für die Abkoppelung der Wahlberechtigung von der Volljährigkeit noch Hinweise darauf, dass die Herabsetzung des Wahlalters als politische Bildungsmaßnahme zu höherem Politikinteresse bei minderjährigen Jugendlichen führen würde. Nicht zuletzt lehnen auch die betroffenen Jugendlichen einen solchen Schritt mehrheitlich ab.
Nur mal ein kleiner Denkanstoß, was Studien so zum Wunsch der politischen Beteiligung jugendlicher sagen. Viel Spaß beim Lesen
http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/kinderhilfswerk-umfrage-kinder-wuerden-sich-gern-staerker-engagieren-a-890245.html
Diese Befragung des Kinderhilfswerks aus dem letzen Jahr ist mir bekannt. Allerdings kann in keiner Altersgruppe das mehr oder weniger grosse politische Interesse die Voraussetzung für das Wahlrecht sein. Man müsste sonst eine Art von „Wahlreifeprüfung“ einführen.
Entscheidend ist, an welches Kriterium das Wahlrecht geknüpft sein soll, um nicht einfach willkürlich vergeben zu werden. Hier ist der plausibelste Maßstab die Volljährigkeit.
Der innere Zusammenhang zwischen Wahlalter und Volljährigkeit konkretisiert sich in der Frage, warum jemand über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden soll, den diese Gesellschaft noch nicht für reif genug hält, seine eigenen Lebensverhältnisse selbstständig zu regeln.
Initiativen zu einer weiteren Senkung des Wahlalters werden interessanterweise nicht mit der Forderung nach einer weiteren Absenkung der Volljährigkeitsgrenze verbunden. Die sich daraus ergebende Entkoppelung von Wahlberechtigung und Volljährigkeit führt zu der grundsätzlichen Frage, ob Bürgerrechte wie das Wahlrecht nicht an die Bürgerpflichten gebunden sein sollten, die zur Volljährigkeit gehören. Vornehmste Bürgerpflicht ist nämlich die Übernahme der vollen Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns wie sie mit der durch die Volljährigkeit gewährten vollständigen Entscheidungsfreiheit des Bürgers einsetzt.
Es ist schon interessant, dass alle (!) bisherigen Umfragen und Studien bestätigen, dass die betroffenen Jugendlichen dies offenbar ebenso sehen und sich deshalb mehrheitlich gegen eine Absenkung des Wahlalters sind bzw. daran kein Interesse haben:
• In Deutschland wurden in der 15. Shell-Jugendstudie 2006 insgesamt 2.532 Jugendliche im Alter von 12-25 Jahren gefragt: „Wie finden Sie die Idee, die Altersgrenze für die Teilnahme an Bundestagswahlen von 18 Jahren abzusenken, so dass man schon ab 16 Jahren wählen könnte?“ 52 Prozent der Befragten lehnten dies ab, 24,7 Prozent stimmten zu und 22,8 Prozent meinten, es sei ihnen egal.
• Anfang 2009 führte die „Grüne Jugend Ostalb“ eine Umfrage zum Wahlrecht ab 16 bei mehr als 550 Aalener Schülern durch. Auf die Frage „Hältst du das Wahlrecht ab 16 für sinnvoll?“ antworteten 58 Prozent mit „nein“ und nur 24 Prozent mit „ja“. 18 Prozent konnten sich nicht entscheiden. Das Fazit der Grünen Jugend lautete: „Ein Großteil der Jugendlichen hält das Wahlrecht ab 16 nicht für sinnvoll. Hier zeigt sich, dass die Jugendlichen sich noch sehr unsicher fühlen“.
• Im Sommer 2010 ergab eine Forsa-Umfrage in Berlin, dass 63 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter von 14- 29 Jahren das Wahlrecht ab 16 Jahren für sich ablehnen. Die Ablehnung in der Gesamtbevölkerung lag bei 77 Prozent.
• Die Studie „Jugend in Brandenburg 2010“ ergab bei der Befragung 3.132 Jugendlichen im Alter von 12-20 Jahren für dieses Bundesland ein ganz ähnliches Ergebnis: „Eine Zustimmung für eine Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre befürworten nur 33,9 Prozent der Jugendlichen der Befragungsstichprobe.“ Dabei liegt der Zustimmungswert für eine Absenkung des Wahlalters bei der unmittelbar betroffenen 15-17Jährigen mit 38,5 Prozent deutlich niedriger als bei den 12-14Jährigen (55,4 Prozent). Von den 18-20jährigen Brandenburger Jugendlichen unterstützen sogar nur 20 Prozent ein Wahlalter ab 16.
• Bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter 300 Schülern im Alter von 15-17 Jahren an zwei Hamburger Schulen votierten 78 Prozent der Befragten gegen eine Herabsetzung des Wahlalters. Auch bei einer Hamburger Podiumsdiskussion von Abgeordneten der Bürgerschaft mit den 10. und 11. Klassen des Luisen-Gymnasiums am 8. Februar 2013 „überraschten die Gymnasiasten mit ihrer Position: Ein Großteil will einfach noch nicht wählen.“ Die Presse berichtete: „Es klingt paradox, ist aber so: die Hamburger Bürgerschaft möchte Jugendlichen mit dem geplanten Wahlrecht ab 16 Jahren mehr politische Mitbestimmung auf Landes- und Bezirksebene einräumen – doch die schüler wollen dies gar nicht. Mehr noch: Sie laufen Sturm gegen die geplante Verfassungsänderung…“
Angesichts der vorliegenden Daten kann man sich in der Tat des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich bei der Absenkung des Wahlalters viel mehr um ein Projekt von Erwachsenen für Minderjährige als um den Wunsch von Jugendlichen selbst handelt.
Sie dürfen sich gerne fragen, warum die Studie des Kinderhilfswerkes den Jugendlichen die Frage nach dem Wahlrecht ab 16 (sicherheitshalber) garnicht gestellt hat …
Natürlich tragen 16-Jährige regelmäßig die volle Verantwortung für ihr Handeln. Und wenn ausnahmsweise nicht, dann nicht die Erziehungsberechtigten, sondern niemand (praktisch zulasten der Betroffenen). Die Erziehungsberechtigten tragen allenfalls die Verantwortung für ihr eigenes Handeln, etwa eine Verletzung der Aufsichtspflicht.
Die Minderjährigkeit hat lediglich zur Folge, dass sie manche Sachen gar nicht erst tun können, womit natürlich auch keine entsprechende Verantwortung anfällt. Das betrifft aber primär die Verantwortung für sich selbst, nicht die für Andere. Und zu verantwortlichem Handeln gegenüber sich selber ist ohnehin niemand gezwungen; eine derartige Pflicht kann man zwar fordern, aber sie existiert nicht.
Abgesehn davon betrifft das jeden, der sich hier aufhält, völlig unabhängig davon, ob er „Bürger“ ist oder nicht (egal ob man das auf die Staatsangehörigkeit oder den gemeindlichen Bürgerstatus bezieht) und ob er ein Wahlrecht hat oder nicht. Die Verantwortung für eigenes Handeln fängt für alle mit 7 an, sofern sie sie erkennen können, also insbesondere das Konzept von „Eigentum“ und physikalische Mechanismen im Grundsatz verstanden haben. Das ist regelmäßig der Fall, außer dass unter 10 der Straßen- und Schienenverkehr generell ausgenommen ist. Ausgenommen können auch Wahlberechtigte über 17 sein; umgekehrt bleiben vom Wahlrecht ausgeschlossene in der Regel für ihr Tun verantwortlich.
Und schließlich hat Wählen eh nichts mit Verantwortung zu tun. Natürlich hat jeder Wahlberechtigte auch das Recht, verantwortlich zu wählen, aber niemand ist dazu gezwungen. Selbst eine rein moralische Verpflichtung wird normalerweise nicht gesehn; jeder kann ausschließlich das, was er für seine eigenen Interessen hält, zum Maßstab machen oder auch ganz irrational wählen. Und viele tun das auch, ohne dass das die Funktionsfähigkeit des Systems wesentlich einschränkt.
Es ist schlichtweg falsch, wenn sie schreiben: „Natürlich tragen 16-Jährige regelmäßig die volle Verantwortung für ihr Handeln.“ So müssen Eltern beispielsweise für materielle Schäden aufkommen, die ih Kinder verursachen („Eltern haften für ihre Kinder“).
Weil sie die Verantwortung für dud Folgen ihres Handeln nicht in vollem Umfang tragen (eingeschränkte Bürgerpflichten), sind auch die Rechte von Minderjährigen eingeschränkt:
So dürfen 16 -Jährige in Deutschland zwar Mofa fahren, aber nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen ein Auto lenken. Sie dürfen in der Öffentlichkeit Bier trinken, aber keine hochprozentigen Alkoholika. Ohne Erlaubnis der Eltern dürfen sie eine Diskothek nur bis Mitternacht besuchen. Bei Gesetzesverstößen fallen 16-Jährige unter das Jugendstrafrecht. Heiraten darf man zwar ab 16, aber nur wenn ein Familiengericht dazu die Genehmigung erteilt und der Ehepartner bereits volljährig ist.
Kaufverträge, die von Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossen werden – zum Beispiel der Kauf eines Computers – sind nur wirksam, wenn sie aus Mitteln bezahlt werden, die ihnen vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. Dieser sog. „Taschengeldparagraph“ (§ 110 des Bürgerlichen Gesetzbuches) gilt bis zur vollen Geschäftsfähigkeit mit Erreichen des 18. Lebensjahres. Diese Beispiele liessen sich fortsetzen.
Ihre Behauptung vor Erreichen der Volljährigkeit trügen Jugendliche die volle Verantwortung für Ihr Handeln oder unterlägen keinen gesetzlichen Einschränkungen ihres Tuns, ist jedenfalls völlig aus der Luft gegriffen und von ähnlicher Qualität wie Ihre Aussage: „Und schließlich hat Wählen eh nichts mit Verantwortung zu tun.“
Ich halte es für einen Widerspruch in sich selbst, durch das Wahlrecht über andere zu entscheiden ohne selbst für sich die volle Verantwortung übernehmen zu müssen. Dieser Widerspruch, wäre aufzuheben, wenn auch die Volljährigkeit gesenkt würde. Diese Forderung finde ich bei Ihnen nicht. Sie wird übrigens von niemanden erhoben, der das Wahlrecht ab 16 fordert. Warum wohl?
Ch sehe den Zusammenhang von Volljährigkeit und Wahlrecht, weil Bürgerrechte und Bürgerpflichten in einer freiheitlichen Demokratie zusammengehören. Die wichtigste Bürgerpflicht der vollständigen Verantwortung für das eigene Handeln tritt erst mit der Volljährigkeit ein. Dies begründet logisch das Wahlrecht.
Bitte informieren Sie sich mal. Eltern haften *NICHT* für ihre Kinder; derartige Schilder dienen nur zur Einschüchterung und haben keinerlei Wahrheitsgehalt. Eltern haften lediglich nach § 832 BGB für die Verletzung ihrer eigenen Aufsichtspflicht, die aber schon bei Kleinkindern keine Rund-um-die-Uhr-Bewachung erfordert und bei 16-Jährigen nur selten greift. Ansonsten haften auch Minderjährige nach § 823 BGB ausschließlich selber, sofern keine Ausnahme nach § 828 BGB vorliegt.
Wenn Sie mit einer Suchmaschine nach „Eltern haften für ihre Kinder“ suchen, werden Sie noch auf die Störerhaftung stoßen, die aber genauso für volljährige Kinder gelten kann und überhaupt nichts mit einem Eltern-Kind-Verhältnis zu tun hat. Im Übrigen führt auch eine Suche nach „Rechtsirrtümer“ zum Erfolg.
Ein Wahlrecht ab 16 hab ich hier nicht gefordert; ich hab lediglich über invalide Argumente geschrieben. Tatsächlich bin ich der Auffassung, dass das aktive Wahlrecht ein unübertragbares Grundrecht ist, das grundsätzlich jeder Angehörige des jeweiligen Gemeinwesens ab der Geburt besitzt (und dass die Zugehörigkeit nach gewisser legaler Aufenthaltsdauer zwangsweise erworben wird und entsprechend auch wieder entfallen kann). Eine Fähigkeit zur Ausübung wird aber regelmäßig nicht unter 12 Jahren vorhanden sein. Da bei Kleinkindern die Missbrauchsgefahr gewichtiger ist und eine Eintragung ins Wählerverzeichnis erst auf Antrag die Gleichheit beeinträchtigt, bevorzug ich eine pauschalierte Altersgrenze, die bei 10–14 Jahren liegen könnte. Darüber halt ich den Grundrechtseingriff für nicht zu rechtfertigen, ebenso bei real vorhandenen Wahlrechtsausschlüssen Erwachsener.
Eine Alternative wär es, das Wahlrecht als Grundrecht ganz aufzugeben und eine Gewährung wieder systematisch an Bedingungen zu knüpfen. Nachdem die Wertschätzung des Wahlrechts gerade bei denen, die es dann nicht mehr hätten, nicht mehr sonderlich hoch ist, wär das wahrscheinlich sogar durchsetzbar. Das ist dann aber wirklich ein gefährliches Experiment mit sehr fraglichem Nutzen.
Ich hab auch nicht geschrieben, dass ich die Volljährigkeit ab 18 für sinnvoll halten würde. Wenn ich eine Wirtschaftsordnung konzipieren müsste, würd sie ein derartiges Konzept nicht enthalten, aber ich kann mich auch mit der vorhandenen arrangieren und würd auch bei einer Grenze bei 16 kein ernsthaftes Problem sehn. Die problematische Fähigkeit, unbeschränkt Verpflichtungen aus nicht vorhandenem Vermögen eingehn zu können, ist inzwischen durch das Institut der Privatinsolvenz ohnehin eingeschränkt. Vorhandenes Vermögen seh ich auch bei Kindern und Jugendlichen nicht als so schutzwürdig, dass man da spezielle Einschränkungen bräuchte. Das hat aber alles mit dem Wahlrecht nichts zu tun.
Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass das Bürgerliche Gesetzbuch die Definition „Minderjährige“ eng mit dem Begriff „nicht verantwortlich“ verknüpft. Nur weil der Staat erst mit der Volljährigkeit die volle Verantwortung für die Folgen des eigenen Tun als vornehmste Bürgerpflicht einfordert, kann er Minderjährige bestimmtes Handeln untersagen bzw. Minderjährige vor den Folgen ihres Handelns (zumindest teilweise) schützen. Die Beispiele habe ich aufgeführt.
Nach dem Grundgesetz ist das Wahlrecht als vornehmstes Bürgerrecht mit der Volljährigkeit an diese vornehmste Bürgerpflicht der vollen Verantwortungsübernahme geknüpft. Dort wo diese Bürgerpflicht grundlegend verletzt wird (z. B. 45 Strafgesetzbuch: „Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.“) oder nicht wahrgenommen werden kann (Einsetzung eines gesetzlichen Betreuers vgl. § 13 Bundeswahlgesetz) geht auch das Wahlrecht verloren.
NUn können Sie sich eine Absenkung der Volljährigkeit auf 16 Jahre vorstellen, wollen aber auch für diesen Fall das Wahlrecht davon abkoppeln („bevorzuge ich eine pauschalierte Altersgrenze, die bei 10–14 Jahren liegen könnte“). Dies führt zu einer willkürlichen Festlegung der Altersgrenze beim Wahlrecht, denn im deutschen Rechtssystem allenfalls die eingeschränkte Strafmündigkeit ab dem 14. Lebensjahr (§ 19 Strafgesetzbuch) ein wesentlicher Einschnitt. Die Willkürlichkeit der Vorschläge zur Herabsetzung des Wahlalters zeigt sich auch in ihrer Vielfalt je nach politischem Gusto: Die Grünen wollen 16 Jahre, verschiedene Landesjugendringe plädieren für 14 Jahre, die Berliner Piraten haben im Abgeordnetenhaus 7 Jahre beantragt und die Bundes-Piraten wollen jede Altersgrenze aufheben und die Fähigkeit zum Eintrag ins Wahlregister als Kriterium einführen. Dieser Auffassung scheinen auch Sie zuzuneigen. Abgesehen von der Manipulationsgefahr (etwa durch die Eltern) würde dies allerdings eine grundlegende Veränderung unseres Wahlrechts bedeuten und wie z. B. in den USA die Initiative zur Eintragung ins Wählerregister zur Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts machen. Ich halte dies für problematisch und plädiere nach wie vor für die Verknüpfung von Wahlrecht und Volljährigkeit als logische Bindung des vornehmsten Bürgerrechts (Wahlrecht) an die vornehmste Bürgerpflicht (volle Verantwortung für die Folgen eigenen Handelns).
„dass das Politikinteresse von 16/17-Jährigen deutlich geringer ausgeprägt ist als das von älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen“
„dass 16/17-Jährige ein messbar geringeres Interesse an Politik zeigen als 18-24-Jährige“
Haben Sie sich eigentlich den Kommentar von Piratenparteimitglied Baum durchgelesen, welchen sie als Zitat verwenden?
Wenn die 16/17-Jährigen die Chance hätten, ihre politische Meinung vertreten zu können und an Wahlen teilzunehmen, würde das Interesse von selbst kommen. Außerdem herrscht in Deutschland keine Wahlpflicht sondern ein Wahlrecht. Wer sich der Verantwortung nicht gewachsen fühlt, muss nicht wählen gehen.
Mich betrifft dieses Thema direkt, da ich als 16-Jähriger gern das Recht hätte wählen zu gehen. Das wird mir verwehrt durch „Interessenvertreter des Volkes“ (Politiker) wie Sie, die anscheinend befürchten, für Jugendlich nicht attraktiv zu wirken. Dabei sollten Politiker auch gerade „unsere“ Interessen berücksichtigen, da über unsere Köpfe hinweg Dinge beschlossen werden, welche uns als erstes betreffen. Bei dem aktuellen Wahlrecht ab 18, fehlt den Politikern der Ansporn, sich für die Interessen der jüngeren einzusetzen, wohingegen das eigene Programm nur nach den Wünschen der über 18-Jährigen zusammengestellt wird.
Weiterhin finde ich es falsch und eine absolute Frechheit, das politische und gesellschaftliche Verständnis, sowie den IQ am Alter festzumachen. Es gibt wahrscheinlich 10-Jährige die mehr Ahnung als 30-Jährige haben und trotzdem kein Wahlrecht besitzen. Niemand hat von allein das Bedürfnis wählen zu gehen, wenn er das System nicht versteht. Man sollte auf die Selbsteinschätzung minderjähriger Vertrauen.
Und wenn die großen Parteien Angst haben, die jugendlichen könnten extreme oder rechte Parteien wählen, sollten sie einfach mit ihrem Wahlprogramm die Jugend ebenfalls ansprechen. Wenn die CDU ein Programm vorstellt, dass ich durchaus mit meinen Interessen vereinbaren kann, werde ich nicht die NPD wählen (Nur ein Beispiel!!!)
Ich hoffe sie nehmen sich einige Kritik zu Herzen
Leider haben Sie meine Analyse nicht wirklich gelesen. Es geht dort nicht um die IQ von Wahlberechtigten, sondern um den zusammenhang von Volljährigkeit und Wahlrecht. Ich sehe diesen Zusammenhang, weil Bürgerrechte und Bürgerpflichten in einer freiheitlichen Demokratie zusammengehören. Die wichtigste Bürgerpflicht der vollständigen Verantwortung für das eigene Handeln tritt erst mit der Volljährigkeit ein. Dies begründet logisch das Wahlrecht. Ich halte es für einen Widerspruch in sich selbst, über das Wahlrecht über andere zu entscheiden ohne selbst für sich die Verantwortung übernehmen zu müssen. Dieser Widerspruch, wäre aufzuheben, wenn auch die Volljährigkeit gesenkt würde. Diese Forderung finde ich bei Ihnen nicht. Sie wird übrigens von niemanden erhoben, der das Wahlrecht ab 16 fordert.
Im übrigen haben die Piraten (mit Herrn Baum) inzwischen einen Antrag im Berliner Abgeordnetenhaus gestellt, das Wahlalter auf sieben Jahre zu senken: https://burgerbeteiligung.wordpress.com/2012/02/06/vernunft-geht-uber-bord-piraten-fordern-wahlrecht-ab-7-jahren/
Dass die Betroffenen unter 16-Jährigen mehrheitlich ein Wahlrecht ab 16 ablehnen, ergibt sich aus den zitierten Studien. Gegenteilge Studien sind mir nicht bekannt.
Leider haben Sie offenbar meiner Analyse überlesen, wo ich ausdrücklich schreibe:
„Parteien sollten der Versuchung widerstehen, die Herabsetzung des Wahlalters unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Vorteils durch Stimmengewinn zu bewerten. Bei einer solchen oberflächlichen Betrachtung sind Enttäuschungen durch das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Jugendlichen nicht ausgeschlossen. So wählten in Österreich 44 Prozent der Erstwähler die rechtspopulistische FPÖ und nicht die Sozialdemokraten, die das neue Wahlrecht ab 16 erstritten hatten. Die Frage des Wahlrechtes ist eine grundsätzliche und keine parteitaktische Frage.“
Selbstverständlich habe ich Ihre Analyse gelesen und das eigentliche Thema ist auch schon im Titel zu finden. Trotzdem bin ich eindeutig auf Punkte eingegangen, die in ihrem Text zu finden sind.
Weiterhin tragen 16-Jährige zwar noch nicht die volle Verantwortung für ihr Handeln, jedoch schon einen großen Teil. Diesem Argument kann ich deshalb nur bedingt zustimmen.
Die Studien erkenne ich durchaus an, allerdings sollte man sich überlegen, ob das nicht anders sein könnte. Wie schon vorher von mir geschrieben, würde meiner Meinung nach das Interesse bei vielen steigen, wenn sie auch die Chance sehen würden etwas verändern zu können. Viele gleichaltrige Bekannte gehen an Politik mit der Einstellung „Muss mich nicht interessieren, da ich zur Zeit ja sowieso noch nichts damit zu tun habe“ heran. Das würde sich ändern, wenn sie aktiv einen Beitrag zur Politik leisten könnten.
Wenn nächstes Jahr die Wahl ab 16 möglich wäre, würde nur ein geringer Teil der unter 18-jährigen wählen gehen. Auch in den darauffolgenden Jahren würden die Werte vermutlich immer noch gering sein, aber das ist ein Prozess, der sich nach und nach entwickelt. In 10 Jahren würde die Wahlbeteiligung vielleicht schon viel höher liegen.
Zu dem Punkt, dass „sie (Jugendliche) mit der Verantwortung für politische Entscheidungen in der Regel überfordert seien“: Ich glaube, dass die politische Aufklärung auch eine wichtige Rolle dabei spielt. Solange die Minderjährigen aber noch nicht wählen können, fehlt ein gewisser Druck. Wenn die Jugendlichen nicht alles verstehen ist das nicht so schlimm, denn sie können ja sowieso noch nichts falsch machen. Weiterhin wäre Aufklärungsarbeit bei einem gewissen Interesse der Jugendlichen selbstverständlich wesentlich einfacher.
Sicherlich sollten Parteien das Wahlalter nicht herabsetzen, um einen eigenen Vorteil zu bekommen. Andere Parteien sollten sich der Herabsetzung des Wahlalters aber auch nicht entgegenstellen, aus Furcht sie könnten dadurch Nachteile, wie eine geringere Bestätigung ihrer politischen Ziele, erhalten.
MfG
Sie schreiben 16-jährige würden „zwar noch nicht die volle Verantwortung für ihr Handeln, jedoch schon einen großen Teil“ tragen. Das ist sachlich unzutreffend, denn den „großen Teil der Verantwortung“ tragen bis zur Volljährigkeit die Erziehungsberechtigten. Interessanterweise schlagen auch Sie nicht vor, das zu ändern.
Für Ihre These, die Absenkung des Wahlalters würde politisches Interesse bei Jugendlichen wecken, gibt es keinerlei Anhaltspunkt. Im Gegenteil zeigen die Erfahrungen mit dem kommunalen Wahlrecht ab 16 das Gegeneteil: weder hat sich sich die Wahlbeteiligung derjenigen erhöht, die schon mit 16 wählen durften, wenn sie dann 18 oder 20 waren, noch ist die Beteilugung der 16/17-jährigen gestiegen.
Grundsätzlich halte ich es darüber hinaus für problematisch, das für die Demokratie elementare Wahlrecht sozusagen als pädagogisches Instrument einzusetzen. Dazu sind die Folgen der Stimmabgabe für die Gemeinschaft zu wirkmächtig. Deshalb bleibe ich bei dem Grundsatz, dass das WahlRECHT von der BürgerPFLICHT (Volljährigkeit) nicht zu trennen ist.
Was sind denn die „Bürgerpflichten, die zur Volljährigkeit gehören“?
Tatsächlich ist man in den meisten Bundesländern (und in Bremerhaven) dann Bürger, wenn man wahlberechtigt ist, und hat dann die entsprechenden Pflichten (Thüringen schließt Ausländer begrifflich aus, stellt sie aber den Deutschen gleich, soweit sie wahlberechtigt sind). In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind nicht alle Bürger wahlberechtigt, aber das Bürgerrecht ist Voraussetzung für das Wahlrecht; insbesondere ist man in Sachsen-Anhalt expressis Verbis ab 16 Bürger. Berlin, Hamburg und Bremen haben kein Konzept von Bürger (oder irgendwo, wo ich es nicht find).
Staatsbürgerliche Pflichten sind auch nicht an die Volljährigkeit gekoppelt. Wehrpflichtig war man schon mit 18, wie die Volljährigkeit noch bei 21 war (und keine Absenkung absehbar); Frauen bleiben auch mit 55 noch wahlberechtigt, wenn ihre entsprechende Dienstpflicht endet. Allgemeine Pflichten sind meist gar nicht an ein bestimmtes Alter gekoppelt und überwiegend auch nicht an die deutsche Staatsbürgerschaft. Insbesondere ist auch die Geschäftsfähigkeit nicht an die Staatsbürgerschaft gebunden (soweit man das als Verpflichtung begreifen will).
Ehrenamtliche Tätigkeit bei Bundestagswahlen ist an die Wahlberechtigung gebunden, ebenso in den meisten Ländern; insbesondere können in Bremen und Brandenburg auch schon 16-Jährige in die Wahlvorstände berufen werden.
Generell ist die Frage, ob man das Wahlrecht an eine Fähigkeit binden will. Eine individuelle Bestimmung wär hochgradig missbrauchsgefährdet und mit den Wahlrechtsgrundsätzen kaum vereinbar, also muss man pauschalieren. Und da ist die Frage, ob man eher inkauf nimmt, dass Unfähige wählen können (was nicht heißt, dass sie es auch tun), oder ob man lieber Befähigte ausschließt. Wenn man zu Letzterem neigt, ist der Ausschließungsbedarf durch zunehmende Altersdemenz am oberen Ende der Skala sicher höher als bei 16- und 17-Jährigen.
Eine Asymmetrie zwischen aktivem und passivem Wahlalter war früher eher die Regel als die Ausnahme und besteht bis heute trotz aktivem Wahlalter 18 in Hessen, außerdem bei Wahlen zum Bundespräsidenten und dergleichen; teils auch bei Bürgermeisterwahlen u.Ä..
Ein passives Wahlalter 16 wird durchaus gefordert; der sächsische Landtag behandelt derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf der Linken (allerdings beschränkt auf die kommunale Ebene und nicht für Bürgermeister und Landräte, wo es bei 21 bzw. 27 bleiben soll). Das ist sicher nicht völlig unproblematisch, aber grundsätzlich machbar. Wahlbewerber sind schon heute bisweilen minderjährig, ohne dass man die Freiheit der Wahl durch eventuell vorrangige Einschränkungen im Wahlkampf und bei der Wahlbewerbung als verletzt sieht. Die Möglichkeit sagt auch noch nichts darüber aus, ob sie genutzt wird und ob die Wähler solche Leute auch wählen.
Erste und wichtigste Bürgerpflicht ist die Übernahme der vollen Verantwortung ( und Haftung) für das eigene Handeln und dessen Folgen.
Diese Bürgerpflicht entfaltet ihre volle Wirkung mit Erreichen der Volljährigkeit. Davor ist sie u.a. durch verschiedenste Vorschriften des Jugendschutzes stark eingeschränkt.
Es ist ein Widerspruch in sich selbst, jemandem, dem man die Verantwortung für eigenes Tun nur begrenzt überträgt, durch das Wahlrecht zugleich das Schicksal der Gemeinschaft anzuvertrauen. Genau dies geschieht mit dem Wahlrecht für Minderjährige.
Das aktive und das passive Wahlrecht voneinander zu trennen, ist ebenso widersprüchlich. Warum soll wer wählen darf, nicht auch gewählt werden können? Allerdings ist das passive Wahlrecht für Minderjährige mit der freien Ausübung des Mandats nicht vereinbar: Minderjährige sind eben u.a. wegen der Vorschriften des Jugendschutzes nicht Herr ihrer selbst.
All dies spricht dagegen, Wahlrecht und Volljährigkeit zu entkoppeln. Ernsthafte Vorschläge die Volljährigkeit zu senken, sind nicht bekannt. Das hat offenbar gute Gründe.
Schon klar, dass ihnen junge Wähler nicht gefallen, der CDU geht ja auch der Nachwuchs aus.
Geheimpapier – Der CDU sterben die Mitglieder weg
http://www.welt.de/politik/deutschland/article13824251/Der-CDU-sterben-die-Mitglieder-weg.html
Sie sind mir schon ein feiner Demokrat, mangelndes Politikinteresse als Grund gegen Wahlberechtigung
anzuführen. Und das gerade aus dem Munde eines Politikers, der massgeblich an der grassierenden
Politikverdrossenheit beteiligt ist. Aber, ach nee, die Leugnen Sie ja auch.
Schade, dass Sie nicht Kraft finden, mit einem einzigen Satz auf meine Argumente einzugehen. Fragen des Wahlrechtes dürfen nicht von parteitaktischen Spielchen abhängen.